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8.1.10

Pepperparties gegen die Dildoparty-Branche

Hinweis: Quellenangaben und Zusammenfassung am Ende des Artikels. Eine kurze Pressemitteilung findet sich HIER


Wer kennt nicht die "Dildoparty"? Richtig. Fast jede, die man fragt, war schon einmal auf einer Dildoparty. Wer es nicht kennt, kann sich anhand des Namens ja denken, um was es geht: Kerzenpartys sind Partys, auf denen Kerzen verkauft werden, auf Jeanspartys kauft man Jeans und Dildopartys sind eben Verkaufspartys, wo es Dildos und andere Sexspielzeuge gibt. Eben deshalb werden sie auch "Toypartys", abgeleitet von "Sex-Toys", genannt.

Um genau die Dildopartys geht es. Diese gibt es seit etwas über 20 Jahren, ins Leben gerufen, so sagt die Gerüchteküche, von Laura Méritt.

Die Geschichte mit der Marke "Dildoparty"
2007 kam eine Firma auf die Idee, sich den Namen "Dildoparty" als Marke schützen zu lassen. Wer mit der anmeldenden Firma nichts anfangen kann, findet hier übrigens die Lösung. Das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) hat erkannt, dass diese Begriffe schon eine so große Marktdurchdringung haben, dass sie keine schützenswerte Begriffe mehr sind. Das wäre in etwa so, als würde man "Autoinspektion" als Marke eintragen lassen. Konsequenz: Die Markeneintragung wurde abgelehnt.
Hat man einmal eine Marke, dann darf man damit so gut wie alles veranstalten. Man darf Produkte nach der Marke benennen, man kann sie im Franchise "vermieten" und man darf damit werben. Wer kein Recht an der Marke hat, darf sie nicht nutzen und damit nicht werben. Um das Verständlich zu machen: Hat zum Beispiel ein Hersteller von Kaffeemaschinen eine Marke 'lecker Kaffee' eintragen lassen, darf nicht der Konkurrenz-Hersteller von Kaffeemaschinen ebenfalls 'lecker Kaffee' Automaten anbieten. Er darf es auch nicht abwandeln wie 'unsere Maschinen machen leckeren Kaffee'. Er darf auch noch nicht einmal eine Werbeanzeige z.B. bei Google zu schalten, wenn jemand 'lecker Kaffee' als Suchbegriff eingibt.
Google-Werbung ist bekannt: Gibt man einen Begriff wie "Versicherung", erscheinen im oberen und rechten Bereich eine ganze Reihe Angebote von Versicherungsmakler oder -unternehmen.

Damit ist klar, warum der Begriff "Dildoparty" für die Branche so lebenswichtig ist. Wenn die Kundinnen eine Verkaufsparty für Erotikspielzeug wünschen, dann suchen sie in ihrer Suchmaschine nach "Dildopartys", bzw. nach "Toypartys". Denn andere Begriffe gibt es nicht, bzw. höchstens leichte Abwandlungen wie "Sextoyparty".

In Deutschland nicht möglich - europaweit doch?
Obwohl das DPMA damals bescheinigt hat, dass die Marke Dildoparty nicht eintragungsfähig ist, hat Thomas Warnke, Inhaber von "Pepperparties", nun doch diesen Begriff zur Marke angemeldet. Jedoch nicht in Deutschland, sondern als sogenannte Gemeinschaftsmarke, die EU-weit gilt. Das 'Europäische Markenamt' (das offiziell Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt [Marken, Muster und Modelle] heißt, kurz: OAMI) hat die Marke anstandslos eingetragen. Ob es einfach nur daran liegt, dass dieses Amt seinen Sitz in Alicante/Spanien hat und man dort Dildopartys einfach nicht kennt oder der Bearbeiter sich nicht traute zu sagen, dass er schon ganz viel von Dildopartys gehört hat, bleibt erst einmal unklar.

Die Folgen: Ein Abmahnwahnsinn
Die Eintragung erfolgte am 11.12.2009. Pünktlich zwischen Weihnachten und Neujahr wurden dann Abmahnungen von der Kanzlei "Hübsch&Weil" in Warnkes Auftrag versandt.
Mit einer Abmahnung kann ein Anbieter von einem anderen verlangen, einen wettbewerbsrechtlichen Missstand zu beenden. Wirbt nun z.B. in Google ein Anbieter mit "Dildoparty", was ja nun eigentlich alle mach(t)en, war jeder Werber Ziel für eine Abmahnung. Schließlich nimmt man ja jetzt eine "Marke"! Wie man "Hübsch & Weil" kennt, schicken die nicht nur einfach eine Abmahnung, sondern beide Anwälte unterzeichnen die Abmahnung (einer ist Rechts- der andere Patentanwalt) und schon muss der abgemahnte die doppelten Anwaltskosten tragen. Macht zusammen bei Markenrechtsgeschichten ca. 3000,-, die der abgemahnte zahlen müsste, wenn er sich nicht erfolgreich wehrt.
Abmahnungen sind, wenn sie auf rechtlich und moralisch vertretbaren Füßen stehen, ein durchaus adäquates Mittel, sich zu wehren.
Der Zeitpunkt des Abmahnversands ist clever gewählt: Abgemahnte haben es kurz nach Weihnachten naturgemäß etwas schwerer, einen Anwalt zu finden, der nicht im Urlaub ist. Dafür wurde ihnen "netterweise" Zeit bis zum 05.01. gegeben, auf die Abmahnung zu reagieren.

Geht man nur einmal davon aus, dass es vielleicht zwanzig Abmahnungen wären und alle zahlen würden, käme so das nette Sümmchen von 60.000€ für die Kanzlei zusammen. Wer sich mit der Materie nicht so auskennt, kann jetzt denken, dass Hr. Warnke etwas davon abbekommt. Offiziell ist so etwas verboten und in der Praxis wäre so etwas auch nicht nachweisbar.

Noch mehr Gemeinheiten?
Wenn jetzt eine abgemahnte Firma in der Datenbank des OAMI nachforschen will, ob Pepperparty-Warnke noch andere Gemeinheiten für die Mitbewerber hat, wird bei der Suche nach seinem Namen nicht weiter relevantes finden.

Mit ein bisschen detektivischen Gespür findet man aber noch eine Anmeldung vom 20.12.09 für den Begriff "Toyparty". Aber nicht, wenn man nach "Warnke" sucht. Denn dummerweise ist der Name falsch geschrieben: Nicht "Warnke" sondern "Wamke". Zufall oder Kalkül? Da Vorsatz nicht nachgewiesen werden kann ohne die Anmeldeunterlagen zu sehen, muss erst einmal von einem bedauerlichen Schreibfehler ausgegangen werden.

Mit anderen Worten: Kaum ist die eine Marke ohne Beschwerden eingetragen, folgt zwei Wochen später die nächste Anmeldung.

Ohne Google-Werbung ist man tot
Mitte der ersten Kalenderwoche 2010 erhielten alle Toypartyanbieter, die mit dem Begriff "Dildoparty" in Google werben, eine Mail, dass ihre Anzeige gestoppt wurde, wegen eines "Markenrechtsanspruchs". Wer noch mit einer Abmahnung verschont wurde, hat jetzt hier das erste mal bemerkt, dass eine Maschinerie in Gang gesetzt wurde, die es in sich hat.

Wenn es den Dildoparty-Anbietern nicht gelingt, eine erfolgreiche Beschwerde gegen die Toyparty-Eintragung durch zu kriegen, hätte nun Pepperparties die beiden Begriffe für diese Art von Verkaufspartys in Händen und damit der Konkurrenz jede Möglichkeit der Werbung genommen. Wer bitteschön sucht im Internet nach einer "Verkaufsparty für Erotikprodukte"? Niemand! Ich wiederhole noch einmal: Es geht um feststehende Begriffe, die die Firmen schon jahrelang nutzen. Es geht nicht um neu kreierte Worte!

"verschwinde von unserem Spielplatz"
Die Absicht ist eindeutig: Es geht darum, erfolgreiche Begriffe für sich zu reservieren. Das ist vergleichbar und genauso kindisch, wie "Handtücher auf die Liegestühle" legen. Nur dass es hier eben nur zwei Liegestühle gibt und die Handtücher damit fest verschraubt werden.

Was bedeutet das für die Kunden?
Für die Partybranche wird es erst einmal heißen, dass es nur noch einen Platzhirsch geben wird. Die anderen wird man im Internet nicht mehr finden (dürfen). Somit werden sie ihren Betrieb
einstellen müssen: Ohne Werbung keine Kundinnen, ohne Kundinnen keine Umsätze. Damit läuft man Gefahr, dass viele tausende Beraterinnen kein Einkommen mehr haben.

Für die Großhändler bedeutet es, dass sie auch mit sinkenden Umsätzen rechnen müssen, nehmen doch die kleinen und mittleren Dildoparty-Anbieter nichts mehr ab, wenn ihre Toypartys nicht mehr laufen. Für die Kunden bedeutet es auch nichts gutes: Gibt es nur noch einen Anbieter, hat man keine Auswahl mehr. (Quasi-)Monopole sind für Verbraucher immer schlecht. Hier sind auch die beliefernden Großhändler eindeutig in der Pflicht, sich auch mit Pepperparties auseinander zu setzen!

Verbraucherschutz?
Dildopartys mit Verbraucherschutz - so wirbt Pepperparties. Als Mitglied des Bundesverbandes Direktvertrieb, räumt man der Gastgeberin zusätzlich ein Widerrufsrecht ein. Nebenbei: Verpflichtend, dieses einzuräumen, ist es sowieso schon für die Gäste. Warum aber verhält sich ein solch "verbraucherfreundlicher" Anbieter nun so gar nicht freundlich der gesamten Branche und damit eben auch wieder irgendwie den Kunden gegenüber?

Darum formiert sich in diversen Foren schon Widerstand gegen Pepperparties. Es sollen sogar schon einige Kundinnen an den Bundesverband "Gut beraten zu Hause gekauft" geschrieben haben, was für ein merkwürdiges Mitglied sie da haben.

Es geht hier nämlich darum, eine Branche und damit eine gute Vielfalt am Leben zu erhalten. So sichern sie sich auch automatisch eine faire Preisgestaltung. Vielleicht werden sich auch einige Beraterinnen sagen: "Bei dem will ich nicht bleiben" - und dieses kann man nachvollziehen. Der schlechte Ruf, den er sich hiermit erwirbt, werden die Beraterinnen schließlich zu spüren bekommen.
Zusammen mit dem hohen Prozesskostenrisiko spielt er ein ziemlich riskantes Spiel. Um die Beraterinnen tut es einem Leid. Und ein wenig von diesem rüden Vorgehen wird auch auf den Bundesverband-Direktvertrieb zurückfallen, da Pepperparties überall damit wirbt, Verbraucherschutz durch diese Verbandsmitgliedschaft zu bieten.

Die Konkurrenten
Die meisten Dildoparty-Anbieter werden dieses Verhalten wohl nicht klaglos hinnehmen. Schließlich geht es um nichts geringeres als ihre Existenz, sollten ihnen die wichtigsten Begriffe weggenommen werden.

Hier hat Thomas Warnke aber eine Sache nicht bedacht: Er bewegt sich ja hier auf sehr dünnem Eis. Sollten einige abgemahnte nicht auf die Anwaltsschreiben reagieren, müsste Pepperparties klagen. Sollte Warnke die Prozesse verlieren, damit muss er in diesem Fall mit hoher Wahrscheinlichkeit sogar rechnen, muss er die eigenen Anwaltskosten tragen und ggf. die der Gegenseite auch, zzgl. Schadensersatz. So könnte pro verlorenem Prozess eine Summe von 6.000€ auf ihn zukommen. Selbstverständlich dürfen "Hübsch&Weil" auch nicht auf ihr Honorar
verzichten. Nur um eine Zahl in den Raum zu stellen: sollten tatsächlich 20 Leute erfolgreich gegen die Abmahnungen vorgehen, können auf Thomas Warnke ungefähr die Summe einer mittleren Eigentumswohnung in Köln zukommen. Dieses ist auch für ein Unternehmen, dass sich zwar eine der teuersten PR-Agenturen leisten kann, keine leichte Aufgabe.

zusammengefasst
Fassen wir die gesammelten Fakten einmal kurz zusammen:
- "Dildoparty" und "Toyparty" sind seit Jahren, vielleicht sogar Jahrzehnte, gebräuchliche Begriffe aus der Branche und bei Kunden bekannt für diese Art von Partys.
- Thomas Warnke, Inhaber von Pepperparties, hat nun festgestellt, dass diese Begriffe erfolgreich und wichtig für die Branche sind, also ließ er sich erst den einen als Marke schützen und den zweiten gleich danach anmelden.
- Zwei Wochen nach Eintragung wurden mitten in den Weihnachtsfrieden die ersten Abmahnungen geschickt.
- Sucht der Abgemahnte im Onlineportal des OAMI nach weiteren wichtigen Eintragungen von Warnke, wird man nicht fündig, da zufällig der Name falsch geschrieben wurde.
- Google Suche nach Dildopartys führt nur noch zu Werbeanzeigen eines Anbieters, nämlich Pepperparties. Die anderen sind aus der Werbung verschwunden und somit faktisch tot.
- Pepperparties bringt mit recht rüden Methoden eine ganze Branche gegen sich auf. Ob dieses eine clevere Entscheidung war, bleibt abzuwarten.


Dieser Bericht beruht auf Tatsachen. Die zugrunde liegenden Quellen werden hier noch einmal aufgeführt:
Markeneintragung Dildoparty beim Deutschen Patent- und Markenamt HIER KLICKEN
Zur Onlinerecherche beim OAMI geht es HIER. Unter Wortlaut der Marke bitte Dildoparty eingeben. Zur Recherche nach Toyparty bitte eine neue Suche in der gleichen Datenbank starten.
Über Zeitpunkt der versendeten Abmahnungen und das es mehrere sein müssen, findet man die Quelle unter anderem HIER
Kostennote der Kanzlei Hübsch & Weil: Quelle einer vorliegenden Abmahnung.



Zur Person: Mia (eigentlich Marina) Lehnbach ist freie Journalistin aus Frankfurt/Main. Mit dieser Recherche gibt sie ein Debüt und wird auch in Zukunft über die Erotikbranche und deren Hintergründe berichten.